Stillstand oder Fortschritt

Es muss dringend etwas getan werden!

Und sie wollen etwas tun, die Vertreterinnen und Vertreter der Selbsthilfe Gruppen aus Nordrhein Westfahlen. Die Mitglieder der deutschen Parkinson Vereinigung (dPV) machten eine Bestandsaufnahme von Veränderungen in der Pflegeversicherung, der sozialen Entwicklung und ihrer eigenen Selbsthilfearbeit bei ihrem Treffen im September 2023.

Sie möchten die Arbeit in der Selbsthilfe für die Zukunft ausrichten. Die Regionalleiter und Regionalleiterinnen der nordrheinwestfälischen dPV.

Die gesetzlichen Veränderungen in der Pflegeversicherung, ein Schreckensszenario

Gleich zu Beginn wurde von Norbert Kinzel, Dozent, kritisch darauf hingewiesen, dass die als positive Entwicklung von der Politik dargestellte 5 Prozentige Steigerung des Pflegegelds bei weitem nicht ausreicht, um den steigenden Kosten gerecht zu werden. Im Gegenteil, seit der letzten Erhöhung des Pflegegeldes am 1.1.2017 konnte die Inflation der letzten sechs Jahre bis zum Inkrafttreten der neuen Erhöhung im Jahr 2024 nicht aufgefangen werden. Tatsächlich beträgt der Inflationsverlust nach Abzug der 5% etwa 18%. Dies stellt für privat organisierte Pflege ein zunehmendes Problem dar, insbesondere wenn Pflegebedürftige versuchen, ihre Pflege gemäß ihrem individuellen Bedarf zu organisieren. Hierbei geht es nicht um Lohnzahlungen, sondern um eine Aufwandsentschädigung für die Personen, die den Betroffenen zur Seite stehen. Eine weitere Veränderung in der Pflegeversicherung besteht darin, dass ein Teil der Pflegebegutachtung zukünftig entweder telefonisch, nach Aktenlage oder per Videokonferenz erfolgen soll.

Bei der Videobegutachtung wurden Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des Datenschutzes geäußert. Bei den Änderungen gegenüber der bisherigen Praxis, der persönlichen Begutachtung, besteht die Gefahr, dass die Bewertung nach Diagnosen oder Behinderungen erfolgt. Das ist jedoch nicht vom Gesetzgeber vorgesehen. Hier sind einige Beispiele:

Ein Mann verlor bei einem Autounfall beide Beine. Durch Rehabilitation und Therapien wurde er wieder selbstständig. Seine körperlichen Einschränkungen konnten durch Hilfsmittel und bauliche Veränderungen kompensiert werden. Jetzt kann er ein unabhängiges Leben ohne personelle Unterstützung in Bezug auf Mobilität, körperliche Pflege und ärztliche Versorgung führen. Dies bedeutet allerdings auch, dass er keinen oder nur einen sehr geringen Anspruch aus der Pflegeversicherung hat.

Oder, eine Frau ist gesund und hat keine Behinderung, leidet jedoch unter Altersschwäche. Obwohl sie noch beweglich ist, kann sie aufgrund ihrer körperlichen Schwäche keine Knöpfe bedienen oder die Arme heben, auch ist sie nicht in der Lage sicher zu gehen. In diesem Fall könnte sie Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten.

Fehlentscheidungen sind vorprogrammiert

Richtig problematisch wird es bei Menschen mit Erkrankungen oder Behinderungen. Hier sollten nicht die Erkrankungen oder Behinderungen, sondern die daraus resultierenden Symptome und Einschränkungen betrachtet werden. Daher ist es wichtig, eine persönliche Erhebung, bzw. Funktionsprüfung durchzuführen, wie es in den Begutachtungsrichtlinien des Medizinischen Dienstes vorgesehen ist. Wie Norbert Kinzel, als langjähriger Pflegesachverständiger, bereits heute feststellen konnte, werden aufgrund der veränderten Begutachtung vermehrt Fehlentscheidungen getroffen. Die Versicherten gehen in der Regel davon aus, dass die Entscheidungen des Medizinischen Dienstes, also der Pflegekasse, korrekt sind. Doch wie können sie überprüfen, ob der tatsächliche Hilfebedarf richtig erfasst wurde?

Auch der Personalmangel im Gesundheitswesen lässt nichts Gutes erwarten. Bereits heute zeigen sich negative Auswirkungen auf die Versorgungssituation jedes Einzelnen. Teilweise müssen Patienten lange auf Arzt- oder Krankenhaustermine warten. Ambulante Pflegedienste können aufgrund wirtschaftlicher Probleme teilweise keine neuen Kunden mehr aufnehmen oder Pflegeeinrichtungen müssen sogar schließen. Und hier heißtes: Selbsthilfe als Chance, aber auch als Verantwortung. Doch wie kann diese Verantwortung aussehen und was für Lösungsansätze lassen sich daraus entwickeln?

Jeder muss mithelfen

Ganz nach dem Motto: Es sind immer dieselben, die die Arbeit machen, werden ein Großteil der Selbsthilfegruppen von nur wenigen Personen erhalten. Neue Regionalleiter stehen zum Teil hilflos vor ihren Aufgaben. Dass dies nicht so sein muss, schilderten Doris Kowalski, Regionalleiterin der dPV Gruppe Dortmund und Reiner Wicklaus, Regionalleiter Krefeld, als sie über ihre Seminare zum Thema Gruppenarbeit in der Selbsthilfe berichten. In diesen Seminaren wurde das -Konzept der Selbsthilfe nochmal auf den Punkt gebracht. Die Bedeutung der aktiven Mitarbeit jedes einzelnen Mitglieds einer Selbsthilfegruppe wurde hervorgehoben. Herauszustellen ist auch, dass diejenigen, die aktiv bei der Selbsthilfe mitarbeiteten, eine bessere Krankheitsbewältigung zeigten als diejenigen, die nur passiv waren.

So bestätigten Liselott Nowak, Regionalleiterin Siegburg, und Andreas Lehmann, Regionalleiter Mönchengladbach, die positive Veränderung durch die Seminare. Sie setzten quasi noch eins drauf und führten an, dass durch die Seminare, bei den betroffenen Pflegebedürftigen und Angehörigen ein geringerer Pflegebedarf erreicht oder gar ein Heimeinzug vermieden werden konnte.

Die Rolle des Regionalleiters in der Selbsthilfe

Ein Regionalleiter muss nicht alles allein erledigen.  Vielmehr sollte er die Gruppe nach außen und innen zu vertreten, bzw. Mitglieder leiten und beraten. Obwohl seit den letzten   Seminaren kaum ein paar Wochen vergangen sind, konnten alle leitenden Kräfte von einer deutlich positiven Veränderung innerhalb ihrer Gruppe berichten.

Übrigens, alle Beteiligten beschlossen, die Unterlagen, die während der Seminare erstellt wurden, allen Gruppen zur Verfügung zu stellen und ein gemeinsames Handbuch für Selbsthilfegruppen zu erarbeiten.

Vor großen Problemen stehen Regionalleiter, wenn sie eine Selbsthilfegruppe übernehmen. Daher wurde der Vorschlag von Mariola Kickelbick, Regionalgruppe Soest. aufgegriffen, einen Kongress für Leitungskräfte und -teams abzuhalten, um einen kontinuierlichen Austausch zu ermöglichen. Es wurde beschlossen, ein Seminarangebot für NRW zu entwickeln, um die Selbsthilfearbeit sowohl für die Mitglieder als auch für diejenigen, die sich engagieren möchten, zu stärken und das Prinzip der Selbsthilfe zu fördern.

Nachdem der offiziellen folgte der gemütliche Teil. Hier zeigte sich, wie lebendig Selbsthilfe sein kann.

Stellvertretend für eine aktive Selbsthilfearbeit
bei der nordrheinwestfälischen dPV stehen:

Uwe Cremerius, Gabi Demiris, Ursula Heimes, Mariola Kickelbick (Soest), Reingard und Norman Kirkhouse, Doris Kowalski, (Dortmund) ,Andreas Lehmann (Mönchengladbach), Egon Negele, Lieselotte und Arnold Nowak (Siegburg), Beate Wagner, Reiner und Eleonor Wicklaus (Krefeld).